DER RÄUBER HOTZENPLOTZ UND DIE MONDRAKETE
Hotzenplotz, die Vierte
Von Michael Achleitner (Update vom 14. Mai 2018)
Otfried Preußler starb 2013. Er schrieb über 35 Bücher – darunter die drei Teile des „Räuber Hotzenplotz“. Der vierte erschien in der Woche nach Pfingsten – 45 Jahre nach dem letzten Teil.

Als ich vor ein paar Monaten durch Zufall auf ein bis dato unbekanntes Bühnenstück meines Vaters stieß, war mir sofort klar, welch wunderbaren Schatz ich in den Händen hielt“, erzählt Susanne Preußler-Bitsch. „Die Fahrt zum Mond“ – so hieß das 50 Jahre alte Theaterstück – ist ein Abenteuer mit Kasperl und Seppel, Kasperls Großmutter, dem Wachtmeister Dimpfelmoser und natürlich dem Räuber Hotzenplotz. „Da alle Zutaten bereits vorhanden waren, fiel es mir nicht schwer, daraus ein erzähltes Kasperltheater zwischen zwei Buchdeckeln nach bester Preußler-Manier zu entwickeln“, so Preußler-Bitsch.
Nicht neu, sondern wiederentdeckt
Ein Leserhinweis brachte zutage, dass Preußler-Bitsch insofern irrte, als das Stück schon im „Großen Reader's Digest Jugendbuch 10” aus dem Jahre 1969 abgedruckt worden war. Verlegerin Bärbel Dorweiler begann daraufhin im Gesamtarchiv zu recherchieren und entdeckte schließlich einen broschierten kleinen Band namens „Puppenspiele 9“, der den Titel „Vater Mond darf nicht krank sein“ hat und in dem das Textstück „Die Fahrt zum Mond“ abgedruckt ist. „Das Kasperlspiel, das dem Buch ‚Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete’ zugrunde liegt, ist demnach tatsächlich bereits Ende der 1960er-Jahre in zwei Sammelbänden abgedruckt worden“, so die Verlegerin.
Mit diesem neuen Wissen präsentiert der Thienemann Verlag das aktuelle Buch heute als das, was es ist: eine neue Geschichte vom Räuber Hotzenplotz, die auf einem wiederentdeckten Kasperlspiel von Otfried Preußler beruht. Es erschien aufgrund der großen Nachfrage vorgezogen in der Woche nach Pfingsten.
Die Geschichte ist rasch erzählt: Hotzenplotz gelingt es, durch eine Unachtsamkeit von Wachtmeister Dimpfelmoser, aus dem Spritzenhaus auszubrechen. Kasperl und Seppel bauen eine Mondrakete aus Karton und silberfarbenem Klebeband und reden dem bankrotten Räuberhauptmann ein, dass sie damit zum Mond fliegen wollen, weil der ganz aus Silber sei. Der fällt prompt darauf rein und will gleich selbst dorthin fliegen. Am Ende landet der Räuber wieder hinter Schloss und Riegel und Kasperl und Seppel werden von der Großmutter mit Schwammerlsuppe mit Knödeln belohnt.
Wie alles begann
Hotzenplotz ist neben der „Kleinen Hexe“ Preußlers beliebteste und bekannteste Kinderbuchfigur. Zeit seines Lebens nutzte der Autor seine Figur als Alter Ego, beantwortete unter ihrem Namen Kinderbriefe und schrieb damit laut dem Verlag sogar Behörden an.
Der „Räuber Hotzenplotz“ ist eine klassische Kasperlgeschichte. Otfried Preußler schrieb die Geschichte aus seiner alten Liebe zum Kasperltheater und um sich von der schweren Arbeit an „Krabat“ abzulenken. „Der Anfang war rasch gemacht, und da ich für meinen Räuber einen richtig schönen Kasperltheaternamen brauchte, habe ich ihn kurzerhand mit dem Namen eines Städtchens in Mährisch-Schlesien ausgestattet, der mir von der Schule her in Erinnerung geblieben war, weil er schon damals großen Eindruck auf mich gemacht hatte“, erinnert sich der Autor.
„Als ich mir die erste Geschichte vom Räuber Hotzenplotz ausdachte, habe ich natürlich nicht ahnen können, welch ungewöhnlichen Anklang der Mann mit den sieben Messern beim verehrlichen Publikum finden würde. Und ich habe auch keineswegs die Absicht gehabt, diesem Kasperlbuch ein weiteres folgen zu lassen, was ich sogar beweisen kann: Sonst hätte ich nämlich den großen und bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann unter keinen Umständen bereits im ersten Band das Zeitliche segnen lassen“, stellt Preußler klar.
Nicht alle langjährigen Fans werden überzeugt sein
Ob die Veröffentlichung der vierten Hotzenplotz-Geschichte, mit der der Thienemann-Verlag den 95. Geburtstag von Otfried Preußler feiern möchte, tatsächlich im Sinne des Autors ist oder ob er dieses Theaterstück zu Lebzeiten aus guten Gründen nur in zwei Sammelbänden publiziert hat, werden wir nie erfahren.
Der Erzählton seiner Tochter jedenfalls ist dem von Otfried Preußler nachempfunden, doch gerade die von Kindern geliebten Wort- und Satzverdrehungen zwischen Kasperl und Seppel kommen leider viel seltener vor, als beim Herrn Papa. Die Geschichte ist etwas dünn, musste Susanne Preußler-Bitsch doch aus der fünfseitigen Vorlage ein 60-seitiges Buch zaubern und hat dabei vermutlich das Maximum herausgeholt. Die Illustrationen von Thorsten Saleina sind ohne Zweifel großartige Weiterentwicklungen der Originalzeichnungen, mit viel Liebe zum Detail und sehr kindgerecht. Auch wenn die neue Geschichte weder Otfried Preußler noch dem Räuber Hotzenplotz wirklich gerecht wird, hat man hier in jedem Fall die Chance ergriffen, den Räuberhauptmann einer weiteren Generation von Leserinnen und Lesern ins Bewusstsein zu rufen. Das ist ja nicht nichts.