Lesefördermaterialien differenzieren

Differenzierung im Unterricht ermöglicht, Kinder ihren Bedürfnissen entsprechend zu för‐
dern, indem beispielsweise ihre Interessen oder Lesefähigkeiten berücksichtigt werden (Seifert S., Paleczek, L. & Gasteiger-Klicpera, B., 2022: 691).

Alle Kinder arbeiten an einem gemeinsamen Thema, aber jedes bekommt Material, das an die Leseverständnisfähigkeiten angepasst ist. Durch differenzierte Texte in verschiedenen Schwierigkeitsgraden wird sichergestellt, dass alle Schüler:innen mit Erfolg und Freude am Unterricht teilnehmen und lernen können. So wird Lernen inklusiv, individuell und motivierend! Warum eine Differenzierung notwenig ist und wie Sie Lesefördermaterialien differenzieren können, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Basiswissen

Innerhalb einer Klassenstufe sind Kinder mit unterschiedlichsten Lesefähigkeiten vertreten. Differenzierung im Leseunterricht kann durch unterschiedliche Elemente erreicht werden:

  • die Bereitstellung von Texten in verschiedenen Schwierigkeitsstufen
  • Wortschatzarbeit
  • Lesestrategiearbeit
  • kooperative Lernmethoden

Diagnostik spielt hierbei eine zentrale Rolle: um Texte angepasst an die Leseverständnisleistungen bereit stellen zu können, ist es notwendig zu wissen, wo die einzelnen Kinder stehen. Methoden wie die Status- und Verlaufsdiagnostik helfen, die Fortschritte der Kinder kontinuierlich zu begleiten (Paleczek & Seifert, 2020).

Die Differenzierung von Texten in unterschiedliche Schwierigkeitsstufen bewerkstelligt, dass Leser:innen mit überdurchschnittlichem Leseverständnis mit komplexeren Texten arbeiten, während Kinder mit Schwierigkeiten im Leseverständnis vereinfachte Fassungen nutzen.

Gleichzeitig kann durch gezielte Wortschatzarbeit, insbesondere bei Schüler:innen mit einer anderen Erstsprache als Deutsch, das Leseverständnis gestärkt werden (Kulmhofer-Bommer et al., 2022; Seifert et al., 2017). Hierbei können schwer verständliche Wörter vorab oder während des Lesens geklärt werden, was gleichzeitig auch ein Element des Lesestrategietrainings darstellt. Es bietet sich an, kooperative Lernmethoden in den Lese- und Fachunterricht zu integrieren, da diese nicht nur motivierend, sondern auch sehr effizient sind und sich zudem in Gruppen, die sich durch Diversität auszeichnen, anbieten (Hattie, 2010).

Diese Ansätze fördern nicht nur Lesemotivation und -kompetenz, sondern unterstützen auch den Austausch und die Kommunikation im Klassenverband. Unterrichtsstunden können gemeinsam begonnen und beendet werden, was im Sinne einer inklusiven Herangehensweise ist.

Vorbereitung und Durchführung

Der Einsatz von differenzierten Materialien zielt immer darauf ab, dass alle Schüler:innen am gleichen Thema arbeiten, jedoch auf ihrem individuellen Niveau – mit vereinfachten Texten, Aufgaben und Wortschätzen, die den Lernprozess unterstützen. Damit berücksichtigt differenziertes Material die unterschiedlichen Fähigkeiten im Leseverständnis. Sie können hierfür entweder bestehende Materialien (siehe unten) nutzen oder auch zu spezifischen Themen Materialien selbst erstellen.

Sollten Sie selbst differenzierte Materialien erstellen wollen, könnten Sie folgendermaßen vorgehen:

  1. Planung: Zeitplan und Feedbackschleifen festlegen.
  2. Themenwahl: Es bietet sich an einen gemeinsamen Pool an Texten zu erstellen.
  3. Recherche: Informationen sammeln und auf den Schwerpunkt fokussieren.
  4. Textgliederung: Inhalte in Subkapitel strukturieren.
  5. Texte schreiben: Mit dem schwierigsten Text beginnen, da das Vereinfachen leichter ist.
  6. Glossarwörter: Fachbegriffe und schwer verständliche Wörter identifizieren, erklären und ggf. die Erklärungen mit Bildern anreichern.
  7. Differenzierung: Text in mehrere Schwierigkeitsstufen (vier haben sich in der Praxis bewährt) umwandeln, Inhalte reduzieren, aber wesentliche Aspekte beibehalten. Stellen Sie sich die Frage, welche Inhalte ALLE Kinder lernen sollten.
    1. Adaptierungen in der Quantität: Textlänge, Satzlänge, aber auch Wortlänge können vereinfacht werden
    2. Adaptierungen in der Komplexität: Verschachtelungen auflösen, komplexe Verbstellungen vermeiden
  8. Übungen: Nach jedem Subkapitel können Sie Übungen einfügen, die den Textinhalt direkt abfragen. Sie könnten auch überlegen, fixe Start- und Abschlussübungen als Routinen zu etablieren.
  9. Literaturverzeichnis: Quellen dokumentieren und Autor:innen angeben.

Sie können auch komplexe vorhandene Texte nehmen und nach diesen Schritten differenzieren. Genauere Hinweise zur Erstellung finden Sie im Manual zur Erstellung von differenzierten Sachtexten in RegioDiff und RegiNaDiff und zur Digitalisierung desselben im Manual zur Digitalisierung differenzierter Sachtexte im Projekt RegiNaDiff.

Eine Übersicht zu gängigen KI-Programmen, mit denen Sie Texte differenzieren, finden Sie unter Leseförderung mit KI.

Ass.-Prof. Mag.phil. Lisa Paleczek, PhD

Materialien

Selbst differenzierte Materialien herzustellen kann sehr herausfordernd sein. Hier finden Sie eine Auswahl an unterschiedlichen Materialien, die bereits differenziert und kostenfrei verfügbar sind:

  • Differenzierter Leseunterricht (DiLU): Lesematerialien im Lese- und Sachunterricht für die 2. und 3. Schulstufe finden Sie hier. Das Material ist äußerst vielfältig und beinhaltet neben vierfach differenzierten Texten zu jeweils 9 Themen pro Schuljahr (angelehnt an den Lehrplan) für jedes Thema Materialien zur Wortschatzarbeit (Wimmelbilder, Wortschatzbilder, unterschiedliche Spiele wie bspw. Lese-Legepuzzle, Snakes and Ladders, Memory). Jedes Thema umfasst sowohl Erzähltexte als auch Sachtexte. Die Materialien berücksichtigen multilinguale und multikulturelle Klassenzimmer.
  • RegiNaDiff (Regional – Nachhaltig – Differenziert): Im Projekt RegiNaDiff finden Sie Materialien für den Lese- und Sachunterricht für die 4. und 5. Schulstufe. Ein Teil der Texte wurden von Lehrpersonen in kooperativen Teams verfasst. Das Material ist vierfach differenziert und behandelt Nachhaltigkeitsthemen. Lesestrategieübungen, kooperative Lernelemente, Leseverständnisaufgaben und Glossarwörter wichtige evidenzbasierte Elemente des Materials.
  • Kinderleicht! (Leichtbau für Kinder und Jugendliche leicht erklärt): Das Projekt Kinderleicht bietet Materialien in fünffacher Differenzierung und eignet sich von der 3. bis zur 6. Schulstufe. Es sind wiederum dieselben evidenzbasierten Elemente enthalten. Thematisch geht es um Leichtbau und Nachhaltigkeit.

Weiterführende Informationen

Quellen

Hattie, J. (2010). Visible learning: A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement (Reprinted.). Routledge.

Kulmhofer-Bommer, A., Seifert, S., Paleczek, L. & Gasteiger-Klicpera, B. (2022). Bending and Bowing: How Teachers Adapt a Vocabulary-Based Reading Program to Their Students Needs. Journal of Education, 204(1), 174-189.

Paleczek, L. & Seifert, S. (2020). Pädagogische Diagnostik und ihre Bedeutung für inklusiven Leseunterricht. In L. Paleczek & S. Seifert (Hrsg.), Inklusiver Leseunterricht: Leseentwicklung, Diagnostik und Konzepte (S. 125–147). Springer VS.

Paleczek, L., Seifert, S., Kulmhofer-Bommer, A., Waldmüller, K. & Gasteiger-Klicpera, B. (2020). LARS – Ein Leseförderprogramm mit Wortschatzarbeit und differenzierten Materialien für den inklusiven Unterricht in der Grundschule. In L. Paleczek & S. Seifert (Hrsg.), Inklusiver Leseunterricht: Leseentwicklung, Diagnostik und Konzepte (S. 283–312). Springer VS.

Seifert, S., Kulmhofer, A., Paleczek, L., Schwab, S. & Gasteiger-Klicpera, B. (2017). Suggestions for Vocabulary Focused Reading Lessons for Mainstream Classrooms Addressing Both L1 and L2 Learners. Early Childhood Education Journal, 45(3), 333–345.

Seifert, S., Paleczek, L. & Gasteiger-Klicpera, B. (2022). Diagnostik und Differenzierung im Leseunterricht. In M. Gebhardt, D. Scheer & M. Schurig (Hrsg.), Handbuch der sonderpädagogischen Diagnostik. Grundlagen und Konzepte der Statusdiagnostik, Prozessdiagnostik und Förderplanung. Version 1.0 (S. 683–696). Universität Regensburg.