Wie ein Lesestoff entsteht
Colin Hadler im Interview mit Literacy.at über seinen neuen Jugendthriller "Seven Ways to Tell a Lie", seine Schreibgewohnheiten und seine "geheimen" Lesungen an Schulen.
Literacy.at: Dein neues Buch heißt "Seven Ways to Tell a Lie" und ist schon dein fünftes. Für 24 Lebensjahre, würde ich sagen, keine Kleinigkeit. Fällt dir das Schreiben so leicht?
Colin Hadler: Das Schreiben fällt mir nicht leicht. Das Denken fällt mir leicht. Das Schreiben an sich, ist wie eine Geburt. Gebären ist viel mit Schmerzen verbunden und auch anstrengend. Das Schreiben selbst ist eher eine Tortur.
Wie entsteht ein Buch? Entsteht es bei dir zuerst im Kopf? Wie viel weißt du, bevor du mit dem Schreiben beginnst?
Die Bücher, die ich schreibe, sollen bis zu einem gewissen Grad überraschen, einen Plottwist haben. Da soll man sich am Ende denken, darauf wäre ich jetzt nicht gekommen. Und ich finde, dafür braucht es eben Foreshadowing. Das heißt, Dinge, die vorher schon auftauchen, die dann am Ende Sinn ergeben. Und da habe ich für mich die Methode entwickelt, dass ich einfach wirklich alles plane. Da sitze ich drei Monate rum und erstelle einen Plotplan. Und beim Schreiben überlege mir dann schöne Worte für das, was ich mir vorher ausgedacht habe.
Wie viel Zeit am Tag schreibst du? Hast du fixe Schreibzeiten?
Ich schreibe, bis ich zusammenbreche. Ich wache auf, ich schreibe, ich breche zusammen. Ich merke gar nicht, dass ich eingeschlafen bin. Dann wache ich wieder auf und schreibe weiter.
Wie lange hat das Schreiben von "Seven Ways to Tell a Lie" gedauert?
Ein Jahr. Also ein halbes Jahr, wo ich mir den Plot ausgedacht habe und das zweite Halbjahr, wo ich das Buch dann geschrieben habe.
In dem Buch spielen Deepfakes eine große Rolle. Ist das für dich auch im Leben außerhalb deines Romans ein wichtiges Thema?
Ja, ich glaube, dass man das jetzt noch sehr unterschätzt, weil das, was es jetzt gibt, das sind ja eher Karikaturen. Da sieht man den Papst in Winterklamotten in der U-Bahn oder man sieht, wie sich Putin und Trump küssen. Es gibt in den Kommentaren aber genügend Menschen, die diese offensichtlichen Karikaturen nicht als solche erkennen. Die Technik ist jetzt schon fähig, Videos zu erstellen, die weitaus besser sind. Und da fand ich es amüsant, als mir ein paar Kritiken zu "Seven Ways to Tell a Lie" unterstellen, dass das Thema so unrealistisch sei. Dem begegne ich mit einem Schmunzeln, weil ich glaube, die Leute wissen gar nicht, wozu die KI heutzutage schon fähig ist.
In den Rezensionen wurde auch angemerkt, dass deine Bücher und vor allem das Neue ziemlich brutal sind, dafür, dass sie als Jugendbücher oder für junge Erwachsene angeboten werden. Und auch im Showdown von "Seven Ways to Tell a Lie" springen einige Personen über die Klinge. Was sagst du zu dieser Art von Kritik?
Ich finde es ganz toll, dass wir jetzt gerade das Interview machen, weil ja der neue Teil von "Die Tribute von Panem" rausgekommen ist. Die Kritik habe ich dort noch nicht gelesen, bei 24 Jugendlichen, die sich in einer Arena abschlachten. Wenn ich Brutalität verwende, dann hat sie einen Zweck. Ich beschäftige mich mit ihr und arbeite die Konsequenzen im Buch auf. Das heißt, Brutalität ist meiner Meinung nach in Jugendbüchern nur schlecht, wenn sie einfach nur hingestellt wird.
Wir wollten dich auf eine Lesung begleiten, du möchtest aber nicht, dass über deine Lesung ein Artikel geschrieben werden. Was passiert dort, das nicht verraten werden darf?
Ihr seid sehr gefinkelt. Erst sage ich, ich will nicht, dass ein Artikel darüber geschrieben wird, und jetzt willst du ein Interview darüber machen? (lacht) Also, so leicht bekommst du mich nicht. Es ist halt alles andere als eine klassische Lesung. Ich höre oft, dass Autor:innen in Schulklassen gehen, ihr Buch aufschlagen und 50 Minuten lesen. Ich glaube, das schadet dem Interesse Bücher zu lesen eher, als dass es ihm hilft. Ich glaube, Lesungen sind nicht dazu da, dass Buch in den Vordergrund zu stellen, sondern vielmehr den Autor bzw. die Autorin. Und deswegen mache ich etwas anderes. Ich mache Comedy. Ich erzähle skurrile Geschichten. Ich erzähle vom Entstehungsprozess. Ich binde die Schüler:innen ein. Ich versuche sie dort abzuholen, wo sie gerade sind.
Derzeit redet und liest man viel über "Seven Ways to Tell a Lie". Aber vom Produktionsablauf her müsstest du theoretisch ja schon bei deinem nächsten Buch sein?
Da hast du recht. Ich stelle es tatsächlich diese Tage fertig. Und es ist diesmal etwas für etwas ältere Leser:innen. Also nicht ab 13, sondern ab 18 Jahren. Aber mehr darf ich da leider noch nicht verraten. Ich merk schon, wie dir eine Frage auf der Zunge liegt.
Danke, Colin Hadler.
Ich sage danke.
Interview: Thomas Aistleitner